Dienstag, 16. Oktober 2007

3 Panoptikum



Das Jahrmarkt-Panoptikum steht in besonderer Weise für eine vergangene, anheimelnde Schaubudenatmosphäre.
Es war in erster Linie ein Wachsfigurenkabinett – darüber hinaus aber häufig auch eine anatomische sowie eine natur- und völkerkundliche Sammlung oder besser ein Kuriositätenkabinett. Um die Außenwirkung ihrer Schaugeschäfte aufzuwerten, nannten viele Betreiber ihr Panoptikum folgerichtig auch „Museum“.

Die Typen und Themen der Wachsfigurenkabinette entsprachen weitgehend denen, die heutzutage im Fokus der Boulevardpresse stehen: Vertreter von Herrscherhäusern, Künstler, Verbrecher, leicht bekleidete Damen in „pikanten Szenerien“. Hinzu kamen mechanisch animierte Figuren und Gruppen, die zumeist tragische Begebenheiten oder Sagen- und Märchenstoffe zum Thema hatten.

Hauptanziehungspunkt war jedoch oftmals die anatomische Abteilung, die in einem nur Erwachsenen zugänglichen Extrakabinett untergebracht war, für das in der Regel ein besonderter Eintritt erhoben wurde.
Gegenstand dieser Extrakabinette war der menschliche Körper in seiner äußeren und inneren Beschaffenheit einschließlich der Geschlechtsorgane. Die plastischen und somit sehr anschaulichen Anschauungsobjekte dienten durchaus der Volksaufklärung, ja sogar dem Gesundheitsschutz: Die Darstellungen krankhafter Zustände der Organe umfassten immer auch in schaurig-abstoßender Weise Geschlechtskrankheiten oder Folgen übermäßigen Alkoholgenusses.

Die nicht-wächsernen Exponate dieser „reisenden Institute“ waren vornehmlich kunsthandwerkliche Gegenstände aus exotischen Ländern, Molluskenschalen, Insektensammlungen, ausgestopfte Tiere, Missbildungen und Reptilien in Spiritus, Folterinstrumente, Schrumpfköpfe und dergleichen. Besondere Attraktionen bildeten sogenannte Reliquien – „originale“ Gegenstände aus dem Besitz berühmter Persönlichkeiten, die von besonders grausiger Wirkung waren, wenn es sich Gerätschaften handelte, die Mörder bei ihren Taten verwendet hatten…
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(c) Stefan Nagel 2007

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